Konstruktivistische Kulturtheorien verstehen Kultur als etwas Konstruiertes, ein Konstrukt, das sich jederzeit verändert, sich konstruiert und konstruiert wird und daher immer wieder neu und anders ist (Mayer, 2004). In konstruktivistischen Kulturtheorien gibt es kein Verständnis von "festen" und "abgeschlossenen" Kulturen, vielmehr konstruieren sich Kulturen in diesem Verständnis durch Perspektiven, Kommunikation und Begegnung immer wieder neu. Entsprechend gibt es auch beispielsweise keine "deutsche Kultur" per se und auch keine homogene "Jugendkultur" an sich. Vielmehr gibt es immer wieder neue Kulturkonstrukte, die immer in sich bereits heterogen und divers sind und beispielsweise National- oder Jugendkulturen nicht festschreiben, sondern diese immer wieder neu erschaffen.
Im konstruktivistischen Kulturverständnis wird davon ausgegangen, dass Kultur als sozio-kulturelles Konstrukt begriffen wird, das als Ergebnis kontinuierlicher Verhandlungen, Konstruktion und Rekonstruktion von Werten und deren Bedeutungen von Mitgliedern einer Organisation, der Gruppe oder der Nation und ihrer Umgebung angesehen wird und dynamisch ist. In diesem Kulturverständnis existiert Kultur nicht an sich, sondern sie wird geschaffen durch die zwischenmenschliche Interaktion sowie nach Busch (2011) durch die intuitiven und bewussten Wirklichkeitsinterpretationen, das heißt je nach "Brille", die eine Person trägt. Dabei geht es darum, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung variieren können und durch ihre Konstruktion bei jeder Begegnung das Potential neuer Konstruktionen zulassen und einfordern. Ein Element jedoch, dass als vorhanden in konstruktivistischen Ansätzen angenommen wird, ist die Annahme, dass Individuen (kulturelle) Differenzen wahrnehmen und diese Wahrnehmungen aber auch dynamisch sein können. Das bedeutet, dass ein Kursleiter beispielsweise an einem Tag die Differenzen zu einer Person, die eine andere Sprache spricht eher wahrnimmt und an einem anderen Tag eventuell bei der gleichen Person eher die Gemeinsamkeiten wahrnimmt. Entsprechend greift an einer solchen Stelle das Konzept der "subjektiven Kultur" (Triandis, 1972), die auf den konstruierten Charakter von Kultur verweist. Wie also eine Kurs-Kultur gespaltet wird, ist nach diesen Konzepten rein konstruiert und subjektiv und daher im Prinzip "offen für alles". Entsprechend gibt es keine kulturelle Lehr- und Lernkultur an sich, sondern diese ist immer Konstrukt einer Beziehungs-, Wahrnehmungs- und Interpretationsleistung. Diese Erkenntnis wurde zu Ende der 1960er Jahre als die "Barth'sche Wende" bezeichnet (Barth, 1969). Weitergeführt wurde dieser anthropologische Diskurs später von Appadurai (1996), der beschrieb, dass Kultur vor allem aus Diskursen besteht. Das Ziel ist dem konstruktivistischem Ansatz entsprechend in interkulturellen Situationen eine gemeinsame Sichtweise auf Kultur und ihren Einfluss zu finden. Ist dies geschehen, können dann Handlungen und Interaktionen bewusst kreiert werden.